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70. Jahrestag der Befreiung - Verdient die Geschichte einen Schlussstrich?

Rehfelde, den 22. 04. 2015

(GS) April 1945. Das zurückliegende Osterfest wollte keine richtige Festtagsstimmung aufkommen lassen, obwohl Pfarrer Otto Perels in Rehfelde und einigen umliegenden Dörfern Gottesdienste abhielt. Schon Wochen zuvor vernahmen die Rehfelder den Kanonendonner aus Richtung Osten, sahen das emsige Treiben der rückwärtigen Dienste der deutschen Wehrmacht am Bahnhof, in den Kolonien und im Dorf und spürten, dass die letzten Stunden des „Dritten Reichs“ nahten. Goebbels setzte seinen Propagandafeldzug unvermindert fort und verkündete: "Wir müssen jetzt wie Friedrich der Große denken und handeln. Aber wenn wir untergehen sollten, dann wird mit uns das ganze deutsche Volk untergehen, und zwar so ruhmreich, daß selbst noch nach 1000 Jahren der heroische Untergang der Deutschen in der Weltgeschichte an erster Stelle steht." 

Die Angst griff um sich vor dem was kommen wird, vor der Roten Armee, die sich möglicherweise rächen wird für die Verbrechen, die in deutschem Namen in der Sowjetunion begangen wurden. Dem angekündigten Räumungsbefehl folgend floh die Mehrzahl der Einwohner Rehfeldes am 19. April vor der nahenden Front. Einen Tag später folgten ihnen weitere Bewohner insbesondere aus den Kolonien.

Als der 21. April 1945, ein Sonnabend, anbrach weilten nur noch wenige Menschen im Ort. Sie erlebten, wie in den frühen Morgenstunden Einheiten der 1. Belorussischen Front unter Marschall Shukow die Gemeinde besetzten. Haus für Haus wurde von den Rotarmisten nach deutschen Soldaten und nach Angehörigen des Werwolf durchsucht. Von diesem Tag an, 17 Tage vor der Unterzeichnung der Kapitulationsurkunde durch Vertreter der deutschen Wehrmacht, veränderte sich das Leben grundsätzlich. Es gab kaum jemand in diesem Land, der nicht beschwor, nie wieder ein Gewehr in die Hand zu nehmen.

Das war im Jahre 1945. Und heute, 70 Jahre später meint die Mehrzahl der Bürger Deutschlands bewusst oder unbewusst, dass die Geschichte endlich einen Schlussstrich verdiene. Viele halten es nicht mehr für zeitgemäß, jenen Völkern aller Kontinente und insbesondere dem der Sowjetunion zu gedenken und zu danken, die den entscheidenden Beitrag zum Niederringen des Hitlerfaschismus geleistet haben. Mehr noch. Breite mediale Manipulation und Desinformation bewirken einen immer stärkeren Ruf nach Waffen, um "Humanitäre Katastrophen", was und wo auch immer diese sein sollen, zu bekämpfen und friedenserhaltende Maßnahmen, zur Not mit "robustem Mandat", durchzuführen. Bedrohlich ist der Verfall jener antifaschistischen Einsichten und demokratischen wie toleranten Ansätze, die in den Nachkriegsjahrzehnten in Ost wie West sich mühsam durchsetzten.

Gerade für uns Deutsche bleibt es Pflicht, uns der Lehren dieses Krieges bewusst zu bleiben. Wir haben noch einige Rechnungen zu begleichen. Dass das die Generationen der Nachgeborenen tun müssen, liegt an denen, die die Konten in den vergangenen Jahrzehnten nicht beglichen und von der „Bewältigung der Vergangenheit“ mehr geschwätzt als für sie getan haben. Um so verwunderlicher ist, dass neben emphatischen Friedensappellen erneut die Forderung deutscher Regierender nach dem Einsatz von Waffen steht.

Daher ist die Losung „Nie wieder“ heute genau so aktuell, wie vor 70 Jahren.

 

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